Warum Flight Levels und Kanban nicht wirken, wenn wir die Haltung ignorieren
Sprechen wir eigentlich die richtige Sprache?
Aug 08, 2025 | Andreas Rein
In vielen Organisationen erleben wir einen großen Enthusiasmus, wenn es um Methoden wie Flight Levels oder Kanban geht. Visualisierung! Flow! KPI-Tracking! Alles soll messbar, steuerbar und effizienter werden. Und das ist gut so – zumindest in einer bestimmten Haltung.
Denn was oft übersehen wird: Jede Methode wirkt nur im Rahmen dessen, was in der Organisation verstanden, geglaubt und gewollt wird – kurz: was zur Haltung passt. Und wenn wir nicht die Sprache dieser Haltung sprechen, bleibt Wirkung aus. Oder es entsteht – schlimmer noch – Frustration und Rückzug.
Rationalistisch-Funktionale Haltung: Willkommen im Maschinenraum
In Organisationen, die sich primär in einer rationalistisch-funktionalen Haltung bewegen, stehen Effizienz, Kontrolle und Zielerreichung im Vordergrund. Diese Haltung denkt in Maschinenlogik: Wenn wir an der richtigen Schraube drehen, kommt das gewünschte Ergebnis heraus. Die Sprache dieser Haltung ist klar:
- Zahlen, Daten, Fakten
- Zielorientierung & KPI-Tracking
- Planung, Kontrolle, Reporting
Flight Levels und Kanban stoßen hier auf offene Ohren – aber nur, wenn sie in diese Sprache übersetzt werden. Wird z. B. ein Flight Level 2 Board als „System der synchronisierten Zielverfolgung“ mit klaren Metriken eingeführt, ist die Anschlussfähigkeit hoch.
Doch wehe, man spricht zu früh von Sinn, Co-Kreation oder emergentem Denken – das löst Irritation oder Widerstand aus. Und den Vorwurf: „Das ist esoterisch und nicht belastbar.“
Relativierend-Individualistische Haltung: Willkommen im Dialograum
Anders sieht es aus in Organisationen, die stärker in einer relativierend-individualistischen Haltung verankert sind. Hier herrscht eine andere Sprache:
- Pull statt Push
- Sinnstiftung und Wirkung
- Selbstorganisation und systemisches Denken
In dieser Haltung geht es nicht um Steuerung im klassischen Sinne, sondern um Emergenz. Methoden wie Flight Levels oder Kanban wirken hier ebenfalls – aber nur, wenn sie anders gerahmt sind. Ein Flight-Level-2-Board wird hier zur Plattform der systemischen Reflexion über Wertströme. OKRs dienen nicht der Kontrolle, sondern der Dialogführung über gemeinsamen Purpose.
Bringt man hier jedoch ein standardisiertes KPI-Tracking ins Spiel, erzeugt das Misstrauen und Ablehnung. Die „Sprache der Maschine“ passt nicht zur „Sprache des lebendigen Systems“.
Die Haltung bestimmt den Resonanzraum
Wer Flight Levels oder Kanban einführt, führt nicht nur ein neues System ein – sondern auch eine neue Form der Beobachtung und Gestaltung. Damit das funktioniert, müssen wir wissen, aus welcher Haltung heraus die Organisation agiert. Denn:
Die gleiche Methode kann in verschiedenen Haltungen völlig unterschiedliche Bedeutungen und Wirkungen entfalten.
Ohne diese Passung kann ein gut gemeintes Kanban-System zum Symbol von Kontrolle und Mikromanagement werden. Oder ein Flight-Level-3-Board zur Alibi-Veranstaltung für strategischen Stillstand.
Systemisches Denken heißt auch: Haltung erkennen
Statt Methoden „überzustülpen“, sollten wir fragen:
- In welcher Haltung operiert diese Organisation (heute)?
- Welche Sprache spricht sie – rationalistisch, konformistisch oder schon systemisch?
- Wie können wir Flight Levels oder Kanban so gestalten, dass sie innerhalb dieser Haltung anschlussfähig sind – und gleichzeitig zur Weiterentwicklung einladen?
Hier schließt sich der Kreis zur vertikalen Entwicklung. Denn wir können Haltungen nicht überspringen, aber wir können passende nächste Entwicklungsschritte anbieten – methodisch und sprachlich.
Fazit: Methoden müssen zur Haltung passen – oder sie bewusst erweitern.
Wer Flight Levels, Kanban oder OKR implementiert, tut gut daran, nicht nur Boards und Prozesse zu designen – sondern auch den sprachlichen und kulturellen Kontext mitzudenken.
Denn sonst sprechen wir vielleicht die richtige Methode – aber in der falschen Sprache. Und dann wird aus Innovation schnell Irritation.
Dr. Andreas Rein
Flow Maker
Flight Levels Guide®
LEAN Agile Organisationsentwickler

Ob flussbasiertes Arbeiten, New Work oder Agilität - entscheident ist, dass man ein klares Businessziel definiert. Auf dieses muss das gewählte Vorgehen einzahlen. Das Schlimmste ist, wenn die Methode selbst zum Ziel wird.